Das Experiment des deutschen Hoffnungsträgers Lennard Kämna beim Giro d’Italia ist geglückt. Trotzdem bleiben Fragen offen.
Als die letzten Kilometer im Schatten des Kolosseums absolviert waren, stieg Lennard Kämna in Rom mit einem zufriedenen Lächeln vom Rad. „Es war das erste Mal, dass ich als Leader in eine große Landesrundfahrt gestartet bin“, sagte der deutsche Radprofi nach dem feierlichen Finale des 106. Giro d’Italia: „Ich muss sagen, dass wir mit dem neunten Platz in der Gesamtwertung ziemlich glücklich sein können.“
Vom Etappenjäger zum Klassementfahrer – das Experiment, das Kämna und sein deutsches Team Bora-hansgrohe bei der dreiwöchigen Italien-Rundfahrt in Angriff genommen hatten, glückte: Bester Deutscher, Platz neun nach 21 Etappen, 7:46 Minuten Rückstand auf Gesamtsieger Primoz Roglic.
Eine Wiederholung, das deutete Kämna schon nach dem Bergzeitfahren der 20. Etappe am Samstag an, könne er sich vorstellen. Ob Kämna aber wirklich weiter auf die Gesamtwertung fahren kann, ist offen. Erst nach einer umfangreichen Analyse soll über seinen weiteren Karriereweg entschieden werden.
„Macht es Sinn oder nicht? Man muss das in Ruhe besprechen“, sagte Teamchef Ralph Denk dem „SID“: „Dann muss man eine rationale Entscheidung treffen, was für ihn und für das Team wichtiger ist.“
Kämna habe „wirklich alles gegeben“. Auch habe der 26-Jährige die alleinige Führungsrolle nach dem Ausfall des russischen Leaders Alexander Wlassow gut angenommen. Rein sportlich jedoch war Luft nach oben. Ob beim Klettern in den Bergen oder im Zeitfahren: Zur Spitze habe „in allen Bereichen ein bisschen gefehlt“, sagte Denk.
Welchen Spielraum gibt es noch beim Gewicht? Was kann im Training noch verändert werden? Die Antworten auf Fragen wie diese entscheiden über Kämnas künftige Rolle. Eine Comeback als Etappenjäger ist nicht ausgeschlossen.
Etappensiege sind für Roglic nur ein Beiwerk. Der Slowene vom Team Jumbo-Visma zeigte eindrucksvoll, dass er zu den besten Rundfahrern der Welt gehört. Nach drei Siegen bei der Vuelta in Spanien krönte sich der 33-Jährige erstmals zum Giro-Champion – und besiegte dabei auch sein Tour-de-France-Trauma. „Es ist unglaublich“, sagte Roglic, „ich werde den Tag für den Rest meines Lebens nicht vergessen.“