Teamchef packt aus: Attacke auf Kuss war nicht geplant

Auf der 17. Etappe der diesjährigen Vuelta brachen Jonas Vingegaard und Primoz Roglic ein ungeschriebenes Gesetz, als sie ihren in Rot fahrenden Teamkollegen Sepp Kuss attackierten. Die Jumbo-Visma-Bosse spielten den Angriff an jenem Tag noch herunter, doch jetzt hat Teamchef Merijn Zeeman zugegeben, dass das so alles nicht geplant war.

Schon lange vor dem Start der 17. Etappe war rund um die Vuelta diskutiert worden, ob Jonas Vingegaard und Primoz Roglic ihrem im Roten Trikot fahrenden Edelhelfer Sepp Kuss wirklich auf dem Weg hin zu seinem ersten großen Rundfahrtsieg helfen würden. Auf dem Teilstück hinauf zum Alto de Angliru gaben die beiden Superstars dann ihre Antwort. Statt Kuss am schweren Schlussanstieg zur Seite zu stehen, attackierten sie ihn.

Die Aktion sorgte in der Szene für heftige Diskussionen. Der Tenor: Vingegaard und Roglic haben ein ungeschriebenes Gesetz gebrochen und ihre eigenen Interessen über die des Teams und ihres Kollegen gestellt. Eines Teamkollegen, der sich jahrelang für das Duo aufopferte.

Die Team-Verantwortlichen und auch die Fahrer selbst beteuerten hinterher jedoch: alles halb so wild. Solange ein Jumbo-Visma-Fahrer in Rot in Madrid ankommt, sei alles in Ordnung. Teamchef Merijn Zeeman hat nun im „Met open vizier“-Podcast verraten, dass dies nicht ganz der Wahrheit entsprach und die Attacke der beiden Superstars auf Kuss kritisiert.

„Alles lief so, wie wir das wollten. Als noch drei Fahrer von uns [in der Spitzengruppe] übrig waren, war der Moment, in dem die Dinge nicht mehr gut gelaufen sind“, blickte er auf den Angriff zurück. „Sepp konnte nicht mehr mit Primoz und Jonas mithalten. Und ab da gab es kein Teamwork mehr. Alles, was bis dahin passierte, war Teamwork. Aber am Angliru hätten sie zusammen bleiben sollen“, kritisierte Zeeman.

Eine Attacke zu lancieren, um Fahrer aus anderen Teams arbeiten zu lassen, sei etwas „völlig anderes“, als sich gegenseitig zu attackieren, blickte Zeeman zurück. Gleichzeitig, so schränkte er ein, seien die Fahrer auf einer schlechten Straße und mit einer Herzrate von 200 Schlägen pro Minute unterwegs gewesen: „Da kann man nicht erwarten, dass die Jungs klar denken.

Vuelta-Preisgelder: Jumbo-Visma deklassiert Konkurrenz

Das niederländische Radsportteam Jumbo-Visma hat der diesjährigen Ausgabe der Spanien-Rundfahrt den Stempel aufgedrückt. Das spiegelt sich auch in den Preisgeldern wider, die Vuelta-Sieger Sepp Kuss und die Superstars Jonas Vingegaard und Primoz Roglic eingefahren haben.

Jumbo-Visma blickt auf eine bemerkenswerte Teamleistung bei der Vuelta zurück: Die Niederländer stellen alle drei Fahrer auf dem Podest, erstmals gewann der US-Amerikaner Sepp Kuss eine der wichtigsten Radsport-Rundfahrten der Welt.

Mit 17 Sekunden Rückstand folgte der zweifache Tour-de-France-Sieger Jonas Vingegaard aus Dänemark, Dritter wurde der Slowene Primoz Roglic – Sieger des diesjährigen Giro d’Italia. Besser hätte das Jahr für Jumbo-Visma also nicht laufen können.

Der jüngste Vuelta-Triumph hat zudem ordentlich Geld in die Kassen des Teams gespült. Bemerkenswert: Fast ein Drittel des gesamten Preisgeldes ging an Jumbo-Visma, wie aus der von den Veranstaltern veröffentlichten Liste hervorgeht.

Insgesamt schütteten die Spanier 1.116.835 Euro an die 24 teilnehmenden Teams aus, allein auf Jumbo-Visma fallen 364.985 Euro. Soundal-QuickStep um den belgischen Superstar Remco Evenepoel, der sich letztlich mit dem zwölften Platz begnügen musste, rangiert mit gerade einmal 98.965 Euro auf Platz zwei. UAE Team Emirates mit dem Gesamtvierten Juan Ayuso, zudem bester Spanier der diesjährigen Vuelta, heimste 95.530 Euro ein.

Das deutsche Radsportteam Bora-Hansgrohe befindet sich im Ranking der Preisgelder mit insgesamt 64.680 Euro auf dem fünften Platz.

Dass Jumbo-Visma derart viel Kohle mit nach Hause nimmt, liegt vor allem am Spitzentrio Sepp Kuss, Jonas Vingegaard und Primoz Roglic. Allein 150.000 Euro wurden für Kuss Gesamtsieg ausgeschüttet, zudem kassierte Jumbo-Visma zusätzliche 12.500 Euro für die Auszeichnung als bestes Team. Immerhin 11.000 Euro gab es für jeden Etappensieg.

Für Astana Qazaqstan Team zahlte sich die Reise nach Spanien derweil ganz und gar nicht aus. Im Preisgeld-Ranking belegt das Team mit gerade einmal 4.485 Euro den letzten Platz.

Roglic gewinnt Vuelta-Quälerei – Kuss vrteidigt Führung

US-Radprofi Sepp Kuss hat an seinem 29. Geburtstag überraschend die Gesamtführung der Vuelta verteidigt.

Auf der brutalen Etappe hinauf nach Alto de L’Angliru verlor Kuss als Dritter zwar etwas Boden auf Jonas Vingegaard (beide Jumbo-Visma), rettete im dichten Nebel aber einen Mini-Vorsprung von acht Sekunden auf den zweimaligen Tour-Sieger aus Dänemark. Den Sieg bei der 17. Etappe der Spanien-Rundfahrt holte sich der Slowene Primoz Roglic.

Kuss, eigentlich als Edelhelfer von Vingegaard vorgesehen, darf somit mehr denn je vom Gesamtsieg träumen. „Ich bin ohne Erwartungen hierhergekommen und wollte den Jungs wie immer nur helfen. Dann kam ich in dieses wunderschöne Trikot und entdeckte ein neues Maß an Selbstvertrauen“, sagte der Kletterspezialist, der die Gesamtführung auf der zehnten Etappe übernommen hatte.

Sogar Verfolger Vingegaard freute sich für seinen Kollegen. „Es ist großartig, dass Sepp das Trikot trägt. Ich würde es gerne sehen, dass er diese Vuelta gewinnt“, sagte der 26-Jährige. Sollte Kuss am Sonntag in Madrid tatsächlich ganz oben stehen, hätte Jumbo-Visma nach dem Giro (Roglic) und der Tour (Vingegaard) die drei großen Rundfahrten des Jahres mit drei verschiedenen Fahrern gewonnen – es wäre ein Novum im Radsport.

Beeindruckend zudem: Schon auf dem 13. Teilstück der Vuelta hatte Jumbo-Visma durch Vingegaard, Kuss und Roglic das Podium ganz für sich gehabt. Einen Dreifach-Sieg bei einer Grand-Tour-Etappe hatte es zuvor letztmals bei der Vuelta 1991 durch das ebenfalls niederländische Team PDM gegeben.

Ex-Weltmeister und Vorjahressieger Remco Evenepoel ging am Mittwoch als Solist mit einem Vorsprung von mehr als einer Minute in den finalen und knüppelharten Anstieg der Kategorie „Especial“ (Ehrenkategorie), wurde dort aber schnell einkassiert. Anschließend belauerten sich die Klassementfahrer. Kuss musste Vingegaard und den Gesamtdritten Roglic kurz vor dem Ziel ziehen lassen, quälte sich aber 19 Sekunden nach dem Duo über die Linie und behielt Rot.