Politts Achterbahnfahrt der Gefühle

Nils Politt verspritzte an der Seite von Mathieu van der Poel glückselig Champagner. Der Kölner Radprofi kostete seinen unverhofften dritten Platz bei der Flandern-Rundfahrt voll aus, die Siegerehrung diente nach einer Achterbahnfahrt der Gefühle als perfekter Ersatz für den zunächst verwehrten Jubel hinter der Ziellinie.

„Ich war schon am Mannschaftsbus und dann kam der Anruf, dass ich Dritter geworden bin. Ich bin super glücklich mit diesem Ergebnis“, sagte der Kölner Radprofi nach seinem starken Auftritt in den flämischen Ardennen. „Es war ein Riesenjubel. Wir haben heute so hart dafür gearbeitet und immer an uns geglaubt. Zuerst war die Frustration groß, aber dann hat sich alles geändert“, ergänzte er gegenüber radsport-news.com.

Zum zweiten Mal stand der Radprofi, der zu dieser Saison vom deutschen Team Bora-hansgrohe zum UAE Team Emirates von Tadej Pogacar gewechselt war, bei einem der fünf Monumente auf dem Podium. Nach seinem zweiten Platz bei Paris-Roubaix 2019 folgte nun nach 270,8 Kilometern zwischen Antwerpen und Oudenaarde in Belgien der erneute Sprung auf ein derart begehrtes Treppchen – auch wenn es zunächst nicht danach ausgesehen hatte.

Politt war beim Sieg des Niederländers Mathieu van der Poel im Zielsprint der Verfolger zunächst als Vierter über die Ziellinie gerollt. Im Nachgang profitierte er aber von der Qualifikation des Australiers Michael Matthews. Der ursprünglich drittplatzierte Fahrer vom Team Jayco AlUla hatte unerlaubter Weise die Fahrlinie gewechselt und Politt so behindert. Die Jury stufte Matthews zurück.

Pedersen schlägt Weltmeister van der Poel bei Gent-Wevelgem

Doppelschlag verpasst: Der niederländische Rad-Weltmeister Mathieu van der Poel ist zwei Tage nach seinem ersten Saisonsieg bei E3 Harelbeke beim Halbklassiker Gent-Wevelgem knapp gescheitert.

Der 29-Jährige vom Team Alpecin-Deceuninck musste sich nach 253 intensiven Kilometern durch die belgischen Westprovinzen nur dem dänischen Ex-Weltmeister Mats Pedersen (Lidl-Trek) geschlagen geben.

Pedersen, der nach seinem WM-Titel 2019 das Regenbogentrikot getragen hatte, zog aus der zweiköpfigen Spitzengruppe heraus den Sprint an und ließ sich von seinem prominenten Kontrahenten nicht mehr überholen. Der 28-Jährige feierte damit seinen zweiten Triumph in Wevelgem nach 2020. Dritter wurde Jordi Meeus aus dem deutschen Rennstall Bora-hansgrohe, der den Massenspurt der Verfolger mit 16 Sekunden Rückstand auf Pedersen für sich entschied.

Begonnen hatte das Rennen am Vormittag in der Kleinstadt Ypern in Westflandern – und von Beginn an ging es zur Sache. Früh brach das unruhige Fahrerfeld immer wieder auseinander, nach einer Windkante fuhr zunächst lange eine 36-köpfige Gruppe vorne weg. Kurz bevor diese knapp 100 km vor dem Ziel wieder gestellt wurde, zeigte sich auch der Deutsche Max Walscheid (Jayco AlUla) in der Offensive, seine Attacke verpuffte allerdings. Auch Nils Politt und Routinier John Degenkolb hatten mit der Entscheidung letztlich nichts zu tun.

Topfavorit und Weltmeister van der Poel, der am Freitag erstmals beim Eintagesrennen E3 Harelbeke triumphiert hatte, übernahm anschließend die Initiative. Der 29-Jährige fuhr im letzten Renndrittel zumeist an der Spitze – bei der dritten Überquerung des berühmten Kopfsteinpflaster-Hügels Kemmelberg 34 km vor dem Ziel konnte schließlich nur noch Pedersen mithalten.

Sturz-Drama um Degenkolb bei Paris-Roubaix – Van der Poel siegt

John Degenkolb stürzt im entscheidenden Moment, Mathieu van der Poel jubelt nach einem Defekt seines Erzrivalen Wout van Aert im legendären Velodrom von Roubaix.

In einem dramatischen Finale hat der Niederländer seinen ersten Sieg in der Hölle des Nordens gefeiert und am Ostersonntag den Klassiker Paris-Roubaix gewonnen. Nach 257 Kilometern – davon 54,5 über brutales Kopfsteinpflaster – setzte sich der Cross-Weltmeister als Solist durch und triumphierte drei Wochen nach Mailand-Sanremo bei seinem zweiten Monument des Radsports in diesem Jahr.

Platz zwei sicherte sich der Belgier Jasper Philipsen vor seinem Landsmann van Aert. Der bravourös kämpfende Degenkolb belegte nach einem Sturz in der entscheidenden Phase Platz sieben und verpasste so seinen zweiten Triumph in Roubaix nach 2015. Trotz des Unglücks zeigte der 34-Jährige eine starke und kaum noch für möglich gehaltene Leistung. Max Walscheid rundete als Achter das starke Auftreten der deutschen Radprofis ab.

„Es ist unglaublich, wie wir als Team gefahren sind. Jasper wird Zweiter. Es geht nicht besser. Ich hatte einen der besten Tage auf dem Rad. Immer wieder habe ich attackiert, aber ich konnte die anderen nicht abhängen. Als Wout Defekt hatte, bin ich so schnell ich konnte gefahren. Natürlich ist das Pech, aber das ist Teil des Rennens“, sagte van der Poel.

Die Entscheidung fiel einmal mehr im Sektor Carrefour de l’Arbre etwa 18 Kilometer vor dem Ziel. Zunächst stürzte Degenkolb nach einer Kollision mit van der Poel, woraufhin van Aert attackierte. Der Belgier setzte sich mit van der Poel ab, doch kurz vor dem Ende des 2,3 Kilometer langen Abschnitts erlitt er einen Hinterraddefekt. Van der Poel nutzte das Pech seines Erzrivalen und fuhr zu seinem ersten Roubaix-Sieg.

Das Peloton hatte von Beginn an soliden Druck auf den Pedalen, allein in den ersten beiden Rennstunden lag der Schnitt bei über 50 Kilometern pro Stunde. Erinnerungen an das Highspeed-Rennen aus dem Vorjahr wurden wach, als am Ende das mit 45,792 km/h schnellste Roubaix der Geschichte in der Statistik stand. Routinier Degenkolb hatte damals beklagt, nicht einmal Zeit für eine Pinkelpause gehabt zu haben.

Handy-App sorgt vor Paris-Roubaix für Debatten

Jüngst fand sich in Mathieu van der Poel einer der Favoriten für den Sieg bei der „Hölle des Nordens“ im Zentrum der Debatte. Der Niederländer hatte seine Daten ein Jahr lang über die für Jedermann zugängliche Plattform Strava veröffentlicht.

Wenn man so will, so etwas wie das Facebook für Ausdauersportler. „Ich bekam immer wieder rechts und links zu hören, das nichts über mein Training bekannt ist“, sagt der 28-Jährige. Um möglichen Verdächtigungen entgegenzuwirken, machte van der Poel seine Werte öffentlich. Seit diesem Jahr ist damit Schluss.

Der Schritt ist nachvollziehbar, schließlich soll die Konkurrenz nicht wissen, wie die eigene Form ist. Van der Poels größter Rivale Wout van Aert teilt zwar noch seine Ausfahrten, lässt aber Daten wie die Herzfrequenz und die Leistung in Watt weg. „Dann bringt das eigentlich nichts, denn man kann nichts daraus schließen“, sagt van der Poel. Flandern-Sieger Tadej Pogacar verfährt genauso: Training ja, Schlüsseldaten nein.

Jeder der sich auf der Plattform anmeldet, kann Degenkolb folgen und erhält einen Einblick in seine Leistungen. So ist zu sehen, dass der gebürtige Thüringer im vergangenen Jahr über 30.000 Kilometer auf dem Rad zurücklegte. In diesem Jahr sind es bereits weit über 8000.

Auf der anderen Seite schafft die Plattform eine engere Verbindung zwischen Profi und Hobbysportler. Man kann den Paterberg in Flandern oder Alpe d’Huez in den Alpen fahren, seine Daten hochladen und die Zahlen mit denen der Profis vergleichen.

Bei diesen Bestzeiten für bestimmte Streckenabschnitte – den sogenannten KOM – findet man sogar oft die Namen von Ottonormalverbrauchern vor Stars wie Pogacar oder van der Poel. Während die Profis ihre Bestwerte meist im Vorbeigehen bei einem Rennen aufstellen, konzentrieren sich Hobbyfahrer nur auf die jeweiligen Abschnitte.