Cavendish beschert Ullrich „Gänsehaut-Moment“

Mark Cavendish verdrängt den „Kannibalen“ Eddy Merckx vom Tour-Thron. Mit einem etwas überraschenden Sieg auf der 5. Etappe der Tour de France schnappt er sich den Rekordsieg und sorgt so bei Rad-Legende Jan Ullrich für einen Gänsehaut-Moment. Merckx gratuliert.

Kurz nach seinem historischen Triumph fiel er erst mal der Familie in die Arme. Grund zu feiern gab es genug: Mark Cavendish hat mit seinem 35. Etappensieg einen Rekord aufgestellt und Geschichte geschrieben. Es war ein Moment für die Ewigkeit. Damit zog er an der Radsport-Legende Eddy Merckx vorbei, der bei 34 Siegen steht.

„Eurosport“-Experte und deutsche Radsport-Ikone Jan Ullrich staunte am Mikrofon und sprach von einem „richtigen Gänsehaut-Moment“.

Ullrich fuhr einst noch zusammen mit Cavendish in einem Team – so lange ist der Brite schon dabei. Selbst eine Panne am Rad konnte den 39-Jährigen bei seinem Erfolgsritt nicht stoppen. Kurz vor dem Ziel in Saint-Vulbas fiel seine Kette vom Blatt. Da war Cavendish aber schon uneinholbar vorne, riss die Arme nach oben und feierten den 35. Erfolg. Für den Briten ist es schon die 15. Teilnahme an der Tour de France.“Das ist unglaublich, ein Traum ist wahr geworden. Ein großer Moment“, jubelte Cavendish nach der Zielüberquerung.

In einer Instagram-Story gratulierte auch der entthronte Merckx dem neuen Rekordmann. „Glückwunsch an Mark Cavendish zu dieser historischen Leistung! So ein netter Kerl, der meinen Rekord bricht.“Schon 2021 hatte sich der Belgier, der fünf Mal die Tour gewann, zu einem möglichen Verlust seiner Bestmarke an Cavendish geäußert.“Es wird kein Problem sein, wenn Cavendish meinen Rekord erreicht. Ich werde mir keine Gedanken darüber machen. Wenn er es schafft, werde ich ihn beglückwünschen, denn es ist nicht einfach, 34 Sprints zu gewinnen“, sagte er der „Gazzetta dello Sport“ damals.

Ex-Gerolsteiner-Chef: Pogacar ist der neue „Kannibale“

Rad-Superstar Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) ist neben Rivale Jonas Vingegaard (Jumbo-Visma) der große Favorit auf den Sieg bei der Tour de France. Der Slowene erinnert den früheren Gerolsteiner-Chef an den erfolgreichsten Radrennfahrer der Geschichte.

Der ehemalige Teamchef von Gerolsteiner, Hans-Michael Holczer, attestiert Pogacar „Kannibalen“-Kaliber. „Er fährt wie Eddy Merckx früher“, sagte der 69-Jährige der „Sport Bild“. Merckx erarbeitete sich wegen seiner aggressiven Fahrweise und dem unbändigem Siegeswillen den Spitznamen „Kannibale“. Der Belgier gewann unter anderem fünf Mal die Tour de France (1969 bis 72 und 1974). Die meisten Experten sehen ihn als besten Fahrer aller Zeiten.

Von der Anzahl der Merckx-Erfolge ist Pogacar noch eine gute Ecke entfernt. Immerhin schon zweimal gewann der 24-Jährige die Frankreich-Rundfahrt. In diesem Jahr liegt er noch hauchdünn hinter Titelverteidiger Jonas Vingegaard. Nur 17 Sekunden trennen die beiden Tour-Favoriten. Auf der 9. Etappe nach Puy de Dome hatte Pogacar mit einer weiteren Attacke den Rückstand um einige Sekunden weggeknabbert. In den kommenden Bergetappen wird wohl die Vorentscheidung fallen.

Das Duell Pogacar gegen Vingegaard ist auch eines zweier komplett unterschiedlicher Charaktere. Hier der muntere, extrovertierte und als locker geltende Pogacar, dort der eher wortkarge und schüchterne Vingegaard. Auf dem Rad holt Pogacar eher das Brecheisen heraus, Vingeegard behält den kühlen Kopf.  „Er fährt wie Miguel Indurain früher“, sagt Holczer über den Dänen. „Er wartet ab, setzt auf Kontrolle, taktiert, hängt sich dran, ist immer da, ergreift aber selten selbst die Initiative.“

Auf die Arroganz-Vorwürfe von Andy Schleck reagierte Vingegaard zuletzt aber vehement. Während Tadej immer Spaß habe, Witze mache und einfach viel spreche, ist „Jonas total scheu, spricht kaum und strahlt eine gewisse Arroganz aus“, sagte Schleck. Die Fahrweise von Vingegaards Jumbo-Visman-Team erinnere ihn „an eine deutsche Panzerarmee“.

Der Vorwurf der Arroganz ließ Vingegaard nicht kalt – der Däne keilte zurück. „Was Schleck sagt, kümmert mich nicht“, erklärte der Tour-Sieger von 2022: „Arrogant? Ich bin vielleicht ruhig, aber nicht unnahbar.“