Urlaub in Irland, ein Abstecher mit dem Team nach San Francisco, dazu auf Heimatbesuch in Fischerhude und ein paar Tage in Österreich – Lennard Kämna wirkt entspannt und scheint bereit zu sein. Bereit für den nächsten Karriereschritt.
Der hochtalentierte Radprofi will im nächsten Jahr beim Giro d’Italia erstmals die Gesamtwertung bei einer großen Rundfahrt in Angriff nehmen.
Als Etappenjäger hat sich Kämna mit Tagessiegen bei der Tour de France und dem Giro in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Im Sommer fehlten ihm auf einer Alpenetappe bei der Tour nur elf Sekunden zum Gelben Trikot. Großes Potenzial wurde ihm schon immer bescheinigt. Nach seinem Junioren-Weltmeistertitel im Einzelzeitfahren 2014 wurden bereits Vergleiche zu Jan Ullrich gezogen. Heute weiß es der 26-Jährige besser, nachdem er persönlich Höhen und Tiefen durchlebt hat. Dazu gehörten auch zwei mentale Auszeiten über einen längeren Zeitraum, als er die Lust an seinem Sport verloren hatte. Die Freude am Radsport ist längst wieder da. Und weil die Verantwortlichen beim Bora-hansgrohe-Team um seine Fähigkeiten wissen, genießt er alle Freiheiten. Helferdienste für den Russen Alexander Wlassow, der am 6. Mai in den Abruzzen als Kapitän beim Giro an den Start gehen soll, sind für den Ausnahmekönner nicht vorgesehen.
„Lenny hat Zeitfahr-Qualitäten. Wir haben viele Zeitfahren im Giro, die Berge liegen ihm auch. Bei Lenny ist es weiter ein Entwicklungsprozess, dass man sagt: Lass es uns mal versuchen, wie weit wir kommen“, spricht Sportchef Rolf Aldag von einem spannenden Projekt und betont zugleich: „Wir sagen aber auch nicht, dass wir jedes Loch für Lenny zufahren müssen, um ihn da unter Stress zu setzen.“
Was ist bei diesem talentierten Mann aus Wedel also möglich? Kann er es womöglich einmal mit den Großen der Branche wie Tour-Sieger Jonas Vingegaard (Dänemark) oder dem zweimaligen Champion Tadej Pogacar (Slowenien) aufnehmen? Dafür müsste sich Kämna umstellen. Weniger Attacke, dafür jederzeit aufmerksam sein, keine Schwächen zeigen. „Ich glaube, dass ich gut dafür gemacht bin, drei Wochen zu fahren. Und, dass ich mich auch gut erholen kann.“
Beim Giro wird er es erstmal mit Wunderkind und Weltmeister Remco Evenepoel (Belgien) zu tun bekommen. „Remco geht mit riesigem Rückenwind in den Winter und wird beim Giro topfit sein. Ob man den dann schlagen kann, ist vielleicht ein bisschen schwierig zu sagen.“ Ein Versuch ist es aber allemal wert.